Flyer zu den BLM Protesten und weiterführende Informationen

NIEMAND IST FREI, SOLANGE WIR NICHT ALLE FREI SIND

Das Ziel der BLM Bewegung sollte inzwischen bei allen angekommen sein: die Auseinandersetzung mit Rassismus und dessen Bekämpfung. Zu oft werden in der Berichterstattung die realen und massiven Probleme relativiert, indem die Gewalt der Proteste zum Hauptthema gemacht wird. Warum werden das Vorenthalten von Lebensgrundlagen, strukturelle Diskriminierung, Armut und jahrhundertelange Erniedrigung nicht als Gewalt benannt? PoCs erfahren Gewalt tagtäglich. Eine „richtige“ Art zu protestieren wäre wohl eine, die nicht aneckt und niemanden stört. Aber in einer Welt, die so falsch ist, ist das der falsche Ansatz. Welche nachhaltige Veränderung wurde denn durch systemkonformen Protest erkämpft? Eine Einteilung in „friedlich“ und „gewalttätig“ dient nur der Delegitimierung und Spaltung von Bewegungen.

„YOU CAN’T HAVE CAPITALISM WITHOUT RACISM“ – Malcolm X

Historisch haben sich afrikanische Länder auch aufgrund von Ausbeutung, Auslöschung von Bevölkerungsgruppen und Plünderung wirtschaftlich nicht so schnell entwickeln können. Diese menschengemachten Bedingungen werden naturalisiert und mit einer natürlichen Andersartigkeit begründet. Damit dient Rassismus als ideologischer Überbau einer ökonomischen Basis. Unser kapitalistisches Wirtschaftssystem basiert auf der ständigen Kategorisierung von Menschen nach dem Wert, den sie erbringen können. Folglich werden auch Reformen der Polizei niemals ausreichen. Abgesehen vom Ausleben rassistischer (Gewalt-)Phantasien deutscher Polizist*innen, das dank Rassismus und Korpsgeist von Kolleg*innen vertuscht wird, und dem Bilden rechter Netzwerke innerhalb der Sicherheitsbehörden, ist die Funktion der Polizei Kapitalinteressen durchzusetzen und Privateigentum zu sichern. Die Verwobenheit von Rassismus und Kapitalismus macht diese Funktion auch von Grund auf rassistisch.

Rassismus nicht nur von Rassist*innen

Rassismus findet sich überall in unserem Alltag wieder. Expert*innen sind sich seit Jahren einig, dass Rassismus nicht nur ein Phänomen der rechten Szene ist, sondern jeder Mensch sich selbst hinterfragen muss, um strukturellen Rassismus endlich offen bekämpfen zu können. Rassismus ist als globales Unterdrückungssystem tief in der Gesellschaft verwurzelt,
zieht sich durch Institutionen und alltäglichen
Umgang (z.B. Wohnungs- und Arbeitsmarkt, Vorurteile).
Alltagsrassimus muss von Weißen bearbeitet werden!

Weiterführende Informationen

Als Beispiel für den Ausschluss von Lebendsgrundlagen kann Zugang zu sauberem Wasser gesehen werden, was in den USA überproportional Black Communities trifft. Beispiel für California

Eine Einführung zur materialistischen Rassismuskritik gibt Dennis Schnittler in einem Vortrag oder einem Essay, der Teil von der Textsammlung „Freiheit ist keine Metapher“ ist:

Vortrag Dennis Schnittler

Leseprobe Freiheit ist keine Metapher

Dass sich innerhalb den Behörden, besonders der Polizei, rechte Netzwerke gebildet haben, war auch schon in der Presse, trotzdem beispielhaft ein paar Links:

https://www.tagesspiegel.de/politik/braune-staatsdiener-rechtsradikale-in-sicherheitsbehoerden-bedrohen-die-demokratie/25010400.html

https://rdl.de/beitrag/rechte-netzwerke-der-polizei-lassen-sich-fl-chendeckend-der-bundesrepublik-finden

Wie rechtsradikal ist eigentlich die Polizei

https://www.sueddeutsche.de/karriere/polizei-und-rechte-viele-polizisten-der-unteren-dienstraenge-erleben-sich-als-kleine-raedchen-im-getriebe-1.4111545

Die Sendung „Monitor“ hat zwei Reportagen über den Korpsgeist und übergriffe Polizeigewalt gemacht:

https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/korpsgeist-100.html

https://www1.wdr.de/daserste/monitor/videos/video-polizeigewalt-kaum-schutz-fuer-opfer-100.html

Zum Thema Alltagsrassismus und Diskursverschiebung durch Rechte und die Mitte gibt es einen ganzen Reader vom Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit (IDA).

Statement zum BlackLivesMatter Protest in Konstanz

 
Der gestrige Protest zu #BlackLivesMatter in Konstanz überwältigte uns alle. Innerhalb kürzester Zeit versammelten sich über 1000 Menschen auf dem Münsterplatz und solidarisierten sich lautstark mit den derzeitigen erbitterten Protesten in den USA.
 
Daran anschließend betonten viele Stimmen von jungen, schwarzen Menschen und People of Color: Wer denkt, Rassismus sei nur ein Problem der Vereinigten Staaten, hat Rassismus nicht verstanden. Rassismus operiert als globales Unterdrückungssystem, seit der Kolonialisierung bis heute – auch und gerade in Deutschland, wo die widerliche, nationalsozialistische ‚Rassenlehre‘ noch in unserer Gegenwart wirkt und viel zu oft verschwiegen statt bekämpft wird. Auch hier in Deutschland bezahlten schon viel zu viele BIPOC diese menschenverachtende Ideologie mit ihrem Leben, ohne dass die Umstände ihrer Ermordungen je aufgeklärt und ihre Mörder*innen zur Verantwortung gezogen wurden –  ob aus der Naziszene oder der Polizei (die bekanntlich nur so ineinander übergehen [1]). Auch in Konstanz bieten Betroffene in der Schule, auf dem Weg zur Arbeit, beim Einkaufen und in staatlichen Institutionen Alltagsrassismus tagtäglich die Stirn – die am Open Mic erzählten Geschichten darüber gingen allen Anwesenden unter die Haut. Besonders aufgrund des Grenzgebiets zur Schweiz sind Racial Profiling durch Polizei und Zoll und damit verbundene Schikanen Teil der rassistischen Lebensrealität von BIPOC.
Betroffen von Rassismus sind auch Asylsuchende, die an Europas Außengrenzen ertrinken, oder – wenn sie es bis nach Konstanz schaffen – beispielsweise während der Coronakrise lieber eingezäunt, statt menschenwürdig untergebracht werden. Die Kampagne vom Café Mondial ‚#harissonistkonstanzer‘ [2] zeigt, dass selbst Menschen, die nach 10 Jahren so integriert sind, wie man nur sein kann, trotzdem vom Staat abgeschoben werden sollen und offenbart den ekelhaften Umgang mit Asylbewerber*innen, denen aufgrund ihrer Herkunft ein menschenwürdiges Leben verhindert wird. Ähnlich war es bei der Abschiebung des Konstanzer Konzilmitarbeiters Lukmann Kawall Ende letztes Jahr [3]. Und bei all dieser Verächtlichmachung von Menschenleben profitiert der globale Norden trotzdem von der Ausbeutung von Öl und anderen Erdschätzen aus dem globalen Süden. All dem muss endlich ein Ende gesetzt werden!
 
Wir trauern um alle Toten durch rassistische Polizeigewalt weltweit und stehen solidarisch mit den unzähligen Betroffenen, die in unserer rassistischen Welt leben und überleben. Schon lange reicht es nicht mehr, Rassismus nur blöd zu finden, wir müssen alle antirassistisch sein. Das bedeutet, in uns selbst und unserem Umfeld Rassismus entschieden zu benennen und anzugreifen, uns weiterzubilden, Betroffenen zuzuhören, gemeinsam politischen Druck auszuüben und sich konsequent antifaschistisch gegen Alltagsrassismus, Nazis und die neue Rechte einzusetzen – auch wenn es unbequem wird. Antirassistisch sein bedeutet, nichts und niemanden zu vergessen – so lieb es nur zu vielen im Land von NS, ungenügender Entnazifizierung, rassistischen und ausländereindlichen Morden (NSU, Rostock, Brandanschläge auf Geflüchtetenunterkünfte, Hanau) und einem von rechten Netzwerken durchflochtenen Staatsapparat auch wäre.
Erinnern heißt kämpfen. Wir freuen uns auf die weitere, solidarische Zusammenarbeit und einen gemeinsamen, allumfassenden Lern- und Veränderungsprozess.